Wer die Wichtigkeit der Lehre kleinredet, handelt so wie einer, der sich selbst das Grundnahrungsmittel verbietet. Er wird abmagern und krank werden. - Thomas Lange -

Ausschnitt aus Blog von G. Walter 08.01.2016

http://distomos.blogspot.ch/2016/01/kein-gemeindebau-ohne-wachsamkeit.html (Blog wurde leider aufgegeben)

 

Wachsamkeit hängt eng mit biblischer Nüchternheit zusammen. Das griechische Wort für nüchtern (nepho) wird von Walter Bauer in seinem Griechischen Wörterbuch zum Neuen Testament so definiert: frei von jedem geistigen und seelischen Überschwang, frei von Überstürzung, Verwirrnis und Exaltiertheit. Ganz offenkundig ist die Charismatik in ihrer extremen Form aus dieser biblischen Nüchternheit gefallen und erlebt einen Abwärtstrend, der mittlerweile selbst unter den moderaten Pfingstlern und Charismatikern heftigen Protest über das eigene Lager hervorruft. Leider muss man hier bemerken, dass in dieser Bewegung manche unbiblische Tendenz verschlafen wurde, statt diese wachsam zu entlarven und ihr entschieden Einhalt zu gebieten.


Doch eine viel gefährlichere, weil subtilere Form von Unnüchternheit ist die immer stärker werdende Mystik. Das Jahr der Stille 2010, eine gemeinsame Initiative verschiedener christlicher Kirchen, Werke und Einrichtungen1 aus einem bunten Gemisch von Katholiken, Protestanten, Charismatikern und Freikirchlern fand Anklang bis unter Christen, die sich im Grunde als bibeltreu betrachten. Es bleibt zu bezweifeln, dass Letztere auch wachsam genug waren, die zum Teil subtilen, zum Teil offensichtlichen Verdrehungen des biblischen Evangeliums wahrzunehmen.


Karl Heim schrieb in seinem im Jahre 1925 erschienen Buch Das Wesen des evangelischen Christentums:


".. mystische Rauschzustände kann man gemeinsam haben unter einer Massensuggestion, aber Wahrheitserkenntnisse und Gewissenserfahrungen sind einsame Erlebnisse. Alles, was ich unter der Suggestion eines Menschen glaube und erlebe, das ist gerade kein Erlebnis mit Gott. Wir können nur durch einen klaren geistigen Akt zu Gott kommen, ... nicht durch untergeistige Rauschzustände. Alle klaren, geistigen Akte lassen sich im Wort aussprechen und entstehen durchs Wort. Wir finden also Gott nur durch das Wort und ein geistiges Vernehmen des Worts, nicht durch wortlose und wortfremde Unendlichkeitsmystik... Immer, wenn wir die großen Vertreter und Vertreterinnen der katholischen Frömmigkeit betrachten, die den höchsten Gipfel der Ekstase erklommen, stehen wir vor dem letzten Entweder‑Oder, um das sich der Kampf der Religionen in der ganzen Religionsgeschichte dreht. Entweder der himmlische Rausch, den diese Persönlichkeiten erreicht haben, ist wirklich eine Berührung mit Gott. Oder aber wir können Gott nur in einem einsamen geistigen Akt finden, also in nüchterner Klarheit. Jeder von uns steht vor diesem Entweder‑Oder und muss sich entweder für die eine oder für die andere Auffassung entscheiden."2


Paulus hatte sich festgelegt und eine klare Entscheidung getroffen, als er den Thessalonichern schrieb: „Wir aber, die dem Tag angehören, wollen nüchtern sein“ (1Thess 5,8). Dies zeigt uns zwei wichtige Dinge. Erstens, Paulus schloss sich in die Ermahnung, die er an die Thessalonicher richtete, ein. Er wusste, dass auch er als der große Heidenapostel noch in der Gefahr stand, aus der biblischen Nüchternheit zu fallen. Das sollte allen zu denken geben, die glauben, sie wären aller Gefahr enthoben, aus einem nüchternen Christenleben zu fallen. Zweitens, Paulus war Nüchternheit ein besonderes Anliegen, denn er wiederholte genau diese Ermahnung, nachdem er den Thessalonichern zwei Verse zuvor geschrieben hatte, sie sollten nicht schlafen, sondern wachen und nüchtern sein (1Thess 5,6).


Wachsamkeit und Nüchternheit werden von Paulus in einem Atemzug genannt. Sie sind wie Zwillingsbrüder oder die zwei untrennbaren Seiten einer Medaille. Man kann das eine nicht ohne das andere haben. Wer nicht mehr wachsam ist, hat keine Acht mehr auf geistliche Strömungen, die die Gemeinde in jedem Wind der Lehre hin- und hertreiben wollen. Die Frucht eines solchen Handelns und Denkens ist eine Gemeinde, die niemals zur Mannesreife in Christus gelangen kann und die ebenso schwankt wie ein Mann, der zu viel Wein getrunken hat und nun torkelnd seines Weges zieht. Wer geistlich keine Schlangenlinie gehen oder torkeln will, sondern dem geraden Weg des Evangeliums entschlossen folgen will, muss sich einen wachen Geist bewahren, denn nur ein wacher Geist befähigt, in Nüchternheit und biblischer Geradheit voranzuschreiten.


Mit Kelle und mit Schwert und mit einer nüchternen Wachsamkeit kann das große Werk gelingen, das der Herr uns anvertraut hat. Die Gemeinde kann es sich in diesen letzten Tagen nicht erlauben, ohne diese geistlichen Tugenden des Heiligen Geistes zu bauen. Diese Tugenden sind ein Gnadengeschenk des Allmächtigen und keine Leistung, die aus dem Menschen selbst kommt. Lasst uns flehen um Männer und Frauen, die mit Kelle und Schwert bauen, um Männer, die mit wachem Auge das Horn in der Hand halten und das Signal zum Kampf blasen, wenn der Widersacher naht, damit der Feind weder zerstören noch verwirren kann und auch niemanden durch Mystik und Emotionen betören oder in einen schläfrigen Zustand versetzen kann.